9. Mai 2023 – wir waren dabei in Wolgograd

ein Beitrag von Torsten Rexin

Der Tag des Sieges über den deutschen Faschismus am 09. Mai 1945

Jeder, der sich mit der Geschichte Europas beschäftigt hat, kennt dieses Datum. An diesem Tag begehen die Völker Russlands mit einem großen und würdevollen Fest diese historische Tat.  

In diesem Jahr waren wir mit einer kleinen Delegation in Wolgograd dabei, weil unserer Verein der Meinung ist, daß diese Leistung niemals vergessen oder verachtet werden darf. Darüber hinaus sind wir, entsprechend unserer Satzung, der Meinung, daß die Völker Europas durch die Niederschlagung des Faschismus eine große Chance erhalten haben, um eine friedliches Europa aufzubauen. Dazu ist gegenseitiges Verständnis, Handel und Austausch zwischen den Menschen erforderlich. 

Wir wollten mit unserer Teilnahme an den Feierlichkeiten in Wolgograd ein Zeichen des freundschaftlichen Austausches  setzen.  Und, wir wurden freundschaftlich erwartet. Vorweg genommen, wir wurden überrascht. An dieser Delegation Namen Horst Aden, Matthias Ruhdorf, Larissa Logvinova und Torsten Rexin teil. 

Ausgangspunkt war die Idee einmal an einer Parade als Gäste teilzunehmen. Diese Idee hatten wir der Botschaft in Berlin vorgetragen und wir wurden mit offenen Armen empfangen. Nach dem Sicherheitsfragen mit den Pässen besprochen waren, erwarten wir schlicht eine Einladung zur Teilnahme an der Parade in Wolgograd. Für die Sicherheitsaspekte hatten wir selbstverständlich großes Verständnis. 

Nachdem die Visa -Fragen beantwortet waren, die Unterkünfte gebucht und die Anreise organisiert war, wurden wir von einem Vertreter der Stadtverwaltung Wolgograd in Empfang genommen. Nach einigen Telefonaten mit den Mitarbeiter der Administration für internationale Beziehungen hatten wir einen Ansprechpartner. Alexander Alexandrowitsch Kiselew hatte mit mir eine Vorbesprechung vereinbart. Der wartete mit einem kompletten Besuchsprogramm für drei Tage auf.

Das hatten wir nicht erwartet. (es sollte sich auch noch verlängern) Wir wurden von den Unterkünften abgeholt, Mittagessen war Programmpunkt und natürlich am Abend nach „Hause“ gebracht. Zu den Einzelheiten kann man uns selbstverständlich ansprechen.

Wir fühlten uns wie eine offizielle Delegation und sehr gut betreut.

der erste Tag

Am 08.Mai nahmen wir an der Kranzniederlegung an der „ewigen Flamme“, ein Grabmal für die  „Verteidiger Zarizins“ und den Gefallenen der 62. uns 64 Armee bei der Verteidigung Stalingrads, teil. Für uns ein sehr berührender Moment.

An dieser Stelle muß ich das erste Mal auf die allgemeine Abwesenheit der Deutschen an diesem Feiertag eingehen, obwohl jahrzehntelange persönliche Freundschaften existieren. Wir waren offensichtlich die Einzigen. Deshalb gab es natürlich auch für das Fernsehen ein Interview: 

Danach besuchten wir den Mamajew Hügel. Dieses ist nicht nur ein Denkmal, sondern eine umfängliche  Gedenkstätte, welche die Leiden und die unzähligen Opfer bei der Verteidigung gegen die deutschen Faschisten illustriert.

der zweite Tag

der zweite Tag war der 9.Mai. Der Grund unseres Hierseins.

Auf dem Plan stand die Teilnahme an der Parade. Jede Region macht auf seine Weise eine Parade. Das ist sogar interessant und vielfältig. Natürlich hat das Militär eine bedeutende Rolle an diesem Tag, denn niemand anderes als die Sowjetunion mit ihren Armeen haben den größten Anteil am Sieg über „Nazideutschland“. Wir, die Berliner Freunde der Völker Russlands, wissen das. 

Ein Wort zum Thema Parade. 

Wir beobachten in den westlichen Gesellschaften einen Wandel in den Beziehungen der Menschen. Individualismus und Freiheitsstreben stehen im Zentrum. Gemeinschaft und Solidarität kommt über Spenden nicht hinaus. Seelische Wärme, persönlicher Austausch und gesellschaftliche Mitbestimmung haben keinen physischen Raum. 

Die russischen Völker kennen sehr gut den Begriff der „russischen Seele“ (русская душа) und präsentieren diesen auf genau diesen Paraden und Volksfesten. Hier treten eben nicht nur Soldaten auf, sondern Menschen, die einen Namen haben und für Russland stehen. 

Nach der Parade und nach dem Mittag legten wir Blumen am russischen und am deutschen Soldatenfriedhof in Rossoschka nieder. Es ist schon bemerkenswert, daß die letzte offizielle Verbindung zu Deutschland die „deutsche Kriegsgräberstifung“ ist. Diese Verbindung lebt und arbeitet.

Dafür einen großen Dank an die Mitarbeiter und Unterstützer.

 

Ein Gedanke ergreift uns, warum sind die Friedhöfe getrennt? Im Leben sind wir Freunde, auf dem Schlachtfeld Feinde. Welch ein Irrsinn!

 

der dritte Tag

Was uns heute begegnet ist nachhaltig. Wir treffen uns mit der Organisation „molodejka“ und mit Vertretern des „русский фонд мира“. 

Da sitz man an einer Tafel gegenüber, wie bei einem Staatsbesuch, und stellt sich zunächst einmal vor. Wer sind wir, was wollen wir, wo kommen wir her. Eine Menge Fragen. Auf der anderen Seite sitzen junge Menschen, die das alles auch wissen wollen. Das ist bemerkenswert für uns. Aber auch, daß man uns fragt, wo denn die alten Freunde bleiben? Was hat sich in den persönlichen Beziehungen geändert? Wir haben keine vernünftige Antwort auf diese Frage. WIR wollen uns auch nicht für Andere rechtfertigen, wir sind doch aus diesem Grunde hier…. Uns begegnet eine jugendlich fröhliche Offenheit, die entwaffnet.

Und was fällt auf, alt sind wir deutsche….?

Wir vereinbaren, die Beziehungen auf persönlicher Ebene wieder zu aktivieren. Wir wollen in Deutschland jungen Menschen helfen, Kontakt in Russland zu knüpfen und den älteren, den Kontakt zu halten. Das ist ein guter „Neuanfang“. 

auf dem Weg in Wolgograd

Beim nächsten Treffen wird es russisch. Wir trinken auf die Freundschaft, den Frieden, auf die Familie und überhaupt. 

Wir treffen den ehemaligen Bürgermeister Wolgograds und eine Veteranin. Der „Русскии Фонд Мира“ ist die Berufung und die Begegnung. Wir werden nach Platzek und nach Barsch befragt. Wir können keine vernünftige Antwort geben. Sie sind die „alten Freunde“ auf die man hier wartet. Nicht um Streitgespräche zu führen, sondern um Wahrheiten zu bewahren. Wovor fürchtet sich so mancher Politiker , der früher die Gunst der heutigen „Russen“ genossen hat. Studieren war in Ordnung, aber Russland besteht nicht nur aus einer Regierung. Die Begegnung war großartig und wir werden wieder kommen, das sind wir uns gegenseitig schuldig. 

Namen folgen

Wir waren dort, in der Höhle der Freunde: dafür hatte man nur Anerkennung. 

Der Besuch des Panaoramamuseums ist in Wolgograd obligatorisch . Er bringt das historische Drama zum Ausdruck und wir als Deutsche haben ein mulmiges Gefühl. (Kann man das Übersetzten?)

 

Es ist die Gelegenheit, sich über deutsche Journalisten und Medienmacher zu echauffieren:

Das ist kein Fehler, das ist Absicht, das ist Vorsatz.

Die original Aussage stammt wohl von einer Regierungssprecherin des „Weißen Hauses“. Was gerade kein Grund ist, das wörtlich zu übernehmen.

27 Mio. Tote auf der Seite der Sowjetunion haben hier nicht stattgefunden. Das ist Geschichtsunterricht, in Deutschland öffentlich präsentiert. Uns fehlen die Worte. 

der vierte Tag

das war nicht geplant. Alexander Alexandrowitsch überraschte uns mit Einladungen für ein Konzert, 

Präsentiert wurden hier Lieder aus der Zeit des Krieges. Besonders beeindruckend war die Harmonie zwischen dem Petersburger und Wolgograder Orchester.

 

der fünfte Tag....

Geplant waren nur drei Tage, aber es kommt oft anders als man denkt. Und offensichtlich haben wir einen Draht zu einander gefunden. (Wer soll das übersetzen? 😉)

In Wolgograd gibt es ein Museum namens „Zarepta“. Es handelt ich offensichtlich um eine geschäftstüchtige deutsche religiöse Gemeinde, welche sich in Wolgograd, früher Zaryzin, angesiedelt hatte. Es wurden, neben der Religion, verschiedene Produkte hergestellt. Senf, Öl, Stoffe und Bier standen auf der Liste. Die religiösen Werte allerdings wurden recht hoch gehalten. Für unsere heutigen Verhältnisse in Deutschland. absonderlich, daß Frauen und Männer getrennt zur Kirche und überhaupt getrennt  lebten. Sie fanden offensichtlich einen Weg zu sich. 

Wir besuchten dieses Museum. Diese Beschreibung wird des betriebenen Aufwandes nicht gerecht, daß ist mir bewusst, aber es muß auch Gründe geben, dass ein Leser nach Stalingrad reisen möchte und alles selbst erkundet. Es ist großartig, sagte mir ein Wolgograder….

 

Natürlich haben wir uns herzlich bedankt. Unser Verein hat eine sehr individuelle Verbundenheit zu den Völkern, wir haben Mitglieder aus dem heutigen Russland und aus dem heutigen Deutschland. Viele sprechen russisch oder verstehen es meist. Die russische Sprache hat die Völker Russlands vereint, das europäische Haus muss seine Sprache noch finden.

Der Abschied ist immer unvermeidlich und machmal auch mit Wehmut verbunden. Aber eine Wiederkehr ist doch eine gute Aussicht. Am wunderschönen Bahnhof in Wolgograd fahren unsere Freunde Horst und Matthias mit dem Zug weiter durch Russland. 

Alte Freunde besuchen. Das macht man so. Wie werden uns sicher wieder in Russland begegnen. 

Torsten Rexin 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Bernd, Deine Gedanken zum deutsch-russischen Verhältnis kann ich nur zustimmen. Ich bin mit der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische-Freundschaft aufgewachsen und diese Haltung ist mir zu einer Herzensangelegenheit geworden. Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation, welche Alternative kann es noch geben? Ein neues Feindbild Russland werde ich mir nicht einreden lassen. Ich hoffe, es wird uns gelingen, die feindseligen Absichten der USA, der NATO und der EU gegenüber Russlands den Menschen gegenüber zu vermitteln.

  2. Bernd Thomsen

    Danke, lieber Torsten, lieber Ulli und lieber Horst, für die wunderschönen Berichte und Bilder, die Erinnerungen wachrufen und dazu aufrufen, wieder mehr aktiv zu werden, um deutsch-russische Bande und Freundschaften aufzufrischen und zu erneuern.
    Bismarck: „Geht es den deutsch-russischen Verbindungen gut, geht es Europa gut“.

Schreibe einen Kommentar


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.