Zum Tode von Leonhard Kossuth​

Ein trauriger Anlass inne zu halten. Unser Verein hat sein ältestes Mitglied, Leonhard Kossuth, verloren.

Im Alter von fast 99 Jahren haben ihn die Kräfte verlassen. Es mag sonderbar anmuten, angesichts eines solchen Lebensalters so zu formulieren. Aber ja – Leo Kossuth hatte eine unglaubliche Energie, freilich schon lange nicht mehr im physischen Sinne. Selbst in seiner Wohnung musste er einen rollbaren Untersatz nutzen, um von A nach B zu kommen. Und er war dabei erfinderisch, was mitunter zu Fast-Katastrophen führte: Denn seine Wohnung war ein literaturgeschichtliches Aktenlager, das allein er überblickte.

Den Kampf um Lebenszeit – für ihn Arbeitszeit – hat er mit größter Verbissenheit geführt, bis zum Schluss von dem alles überlagernden Wunsch und Ziel beseelt, der Nachwelt seine Schätze in möglichst geordneter Form zu übergeben. Und er hatte etwas zu übergeben!

Nach dem Untergang „seines“ Verlages – Volk und Welt -, wo er fast drei Jahrzehnte das Lektorat Sowjetliteratur geleitet und dafür gesorgt hatte, dass ein einzigartiger literarischer Schatz ins Deutsche übersetzt wurde und in millionenfacher Auflage die Leser erreichte, war es um die Hinterlassenschaft dieser Institution arg bestellt: Die „Liquidatoren“ haben vieles davon gleich mit vernichtet.

Als man sich irgendwann daran erinnerte, kam das persönliche Archiv L. Ks ins Spiel. Das er nun in seinem letzten Lebensabschnitt ordnete, um es an das Archiv der Akademie der Künste zu übergeben. Mitunter standen rund 20 dicke Leitzordner auf dem Fußboden seines Wohnzimmers und wurden fortlaufend „gefüttert“.

Selten habe ich so einen arbeitsamen, disziplinierten und zielstrebigen Menschen wie L. K. gekannt. Dass ich ihn in seinen letzten Lebensjahren immer wieder erleben durfte, ist eigentlich unserem Verein geschuldet: Hier lernte ich ihn (und seine vor einigen Jahren verstorbene Frau Charlotte, wie er eine begnadete Übersetzerin) persönlich kennen und schätzen. Durch mein Slawistikstudium war der Name Kossuth für mich schon ein Begriff. Ich empfand es als eine ehrenvolle – und anspruchsvolle – Sache, dass mir L. K. nun seine Bücher (von 2002 bis 2016 hat er fünf umfängliche Bücher verfasst, die Lebenserinnerungen und seinen literarischen Forschungen gelten) anvertraute, um sie interessierten Lesern in Rezensionen bekannt zu machen (was übrigens auch in unserer „Troika“ geschah).

Nun musste sich Leonhard Kossuth zur Ruhe begeben. Diesmal endgültig. Wir trauern um ihn.
Berlin im März 2022
Sonja Striegnitz
Nachruf

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Bernd Thomsen

    Leonhardt Kossuth war viele Jahre Leiter der Arbeitsgruppe „Literatur“ in der Kulturkommission beim Zentralvorstand der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft. In dieser Funktion hat er sich sehr verdient gemacht um die Bewahrung, Verbreitung und Pflege russischen und sowjetischen Literaturgutes. Hervorzuheben sind auch seine vielfältigen Aktivitäten im Rahmen der „Tage der Sowjetliteratur“, bei der Erarbeitung und Herausgabe von Buchvorstellungen und methodischen Buchbesprechungen.
    Wir werden Leonhardt Kossuth in ehrendem Gedenken bewahren.
    Bernd Thomsen
    Stellv.Vors. der Berliner freunde der Völker Rußlands.

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